Meine erste richtige längere Wanderung habe ich erst 2018 in Schweden gemacht. Mit meiner Freundin war ich über sieben Tage unterwegs und habe eine ganze Menge auf dem Sörmlandsleden gelernt. Nach unserer Rückkehr habe ich mich sehr nach der Ruhe und dem Wald gesehnt.
Es hat noch etwas gedauert, aber nach einiger Zeit sind wir gemeinsam immer öfter rausgegangen und in meinem Kopf reiften Ideen wie den Ith-Hils-Weg (ca. 80 Km) zu gehen oder auf dem Hexenstieg zu wandern oder mal zu schauen wie weit meine Füße mich tragen.
Tatsächlich sind wir dann drei gemütliche Tage auf dem Hexenstieg unterwegs gewesen, ich habe in zwei Etappen den Ith-Hils-Weg gemeistert und an den Wochenende gingen wir meist so zwischen 10 und 15 Kilometer wandern.
Die ganze Zeit begleitete mich das Gefühl, ich müsse schneller ankommen, weiter gehen und mich auch noch mehr auf den Weg konzentrieren. Pausen machten mich nervös, nach spätestens zehn Minuten wurde ich hibbelig und wollte weiter. Ich sah die Landschaft ja, sah sie vorbeiziehen und für mich genoss ich sie auch. Dachte ich zumindest. Mittlerweile hat sich einiges verändert.
Bei meiner Ausbildung zum Wander- und Naturreiseleiter geht alles ganz ruhig zu, alles ist langsam. Die Erklärungen der Inhalte, unsere Teamer:innen haben die Ruhe weg und auf unseren Testwanderungen geht es auch langsam zu. Das machte mich ganz kribbelig, ich stellte schon in Frage, ob ich diese Ausbildung wirklich weiter machen sollte. Erst – wie sollte es anders sein – ganz langsam, erschloss sich mir die Logik, die Absicht dahinter: Wahrnehmung und Verbindung.
Bewegen wir uns langsam und aufmerksam durch die Landschaft, können wir einfacher stehen bleiben und schauen oder lauschen, wir sind in der Lage mehr von der Natur zu sehen, vielleicht Tiere zu beobachten oder uns fallen Pflanzen auf, die wir sonst übersehen hätten. Die Pausen können wir nicht nur strategisch setzen, sodass wir nie vollkommen erschöpft sind. In diesen Pausen können wir auch einfach unter einem Baum sitzen oder in einer Wiese liegen: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten. Unsere Sinne lassen sich so viel leichter anregen und wir können einfacher mit der Landschaft, mit Flora und Fauna in Resonanz gehen.
Ich habe lange dafür gebraucht und bei meiner letzten Wanderung mit Freunden habe ich bemerkt, dass ich mich wirklich verändert habe. Unsere Freundin M. musste sich zeitweise etwas auslaufen, da wir ihr zu langsam waren. Ich habe es genossen, dass wir Kolkraben beobachten konnte und ich sie bestimmen konnte, ebenso wie ich es großartig fand, dass wir länger einfach auf dem Boden saßen und den Blättern beim Fallen zusehen und hören (!) konnten.
Am Wegesrand finde ich nun nicht mehr nur Abstand vom Alltag, Abstand von der Stadt und dem städtischen Leben, sondern ich finde einen neuen Kosmos: Tierspuren, die mir kleine Geschichte erzählen, ich höre Vögel und höre ihnen einfach gerne zu, ich sehe Pflanzen und schaue wie sie wohl heißen. Mit dieser Langsamkeit und Aufmerksamkeit fühle ich mich der Natur näher und lasse sie in mir etwas bewegen – etwas, was ich vorher nicht wahrgenommen habe oder, dass sich nicht bewegen ließ.
Zurück zu meinem Höher, Schneller, Weiter möchte ich nicht. Obwohl ich gerne noch lange Strecken wandern möchte: 4000Km durch Deutschland wären mein Traum, begnügen muss ich mich vorerst wohl mit 800 Kilometern entlang der Ostsee, aber über dieses Projekt ein anderes mal mehr; dabei wird ein Teil Deutschlands wirklich am Wegesrand liegen.